Zur Einstimmung in Richard Wagners
„Götterdämmerung“

Dirk Meyer

Ende 1997

Die Vorgeschichte

Die „Götterdämmerung“ stellt den gewaltigen Schlußstein des „Ring des Nibelungen“ dar. Sie orientiert sich, wie auch die vorangegangenen Dramen („Die Walküre“ und „Siegfried“), an der germanischen Mythologie, allerdings, anders als diese, weniger an der Wälsungensage, sondern sie nimmt wesentliche Stoffe eines Edda-Lieds, der „Völuspa“, und des Nibelungenlieds auf. Wagner bettete diese Elemente jedoch in eine grundlegende Neuinterpretation des Stoffes ein.

Die „Götterdämmerung“ schildert den Tod Siegfrieds und den Untergang der Götter, der schließlich auch eine Erlösung vom Ring und seinem Fluch darstellt.
Der Ring, den Alberich im „Rheingold“ schuf und den er verfluchte, nachdem er ihm entrissen worden war, stellt das Grundübel der Welt dar. Er gibt seinem Besitzer unbegrenzte Macht. An den der „Götterdämmerung“ vorangegangenen Tagen hat sich erwiesen, daß der Ring die Welt ins Unglück stürzt. Er bringt die negativen Charaktereigenschaften der die Welt bewohnenden Wesen hervor, Habgier, Machtbesessenheit und Haß, auch die Götter - insbesondere Wotan, der die Liebe wieder zum bestimmenden Prinzip machen will - sind dagegen nicht gefeit.

Wotan hatte sich in seinen eigenen ethischen Wertvorstellungen gefangen und konnte nichts gegen den Ring unternehmen. Doch der Fluch des Ringes wirkte auf ihn. Er war mehrfach gezwungen, gegen seinen eigenen Willen zu handeln und sich von Menschen, die er liebte, loszusagen. Ein schwieriger Erkenntnisprozeß führte ihn zu der Überzeugung, nur sein eigener Untergang könne die Welt befreien. Diesen Untergang kann er allerdings nicht selbst herbeiführen, seine Handlungsmöglichkeiten sind so beschränkt, daß er in der „Götterdämmerung“ als Person überhaupt nicht mehr auftritt.
Siegfried tat als freier Held das, was Wotan unmöglich war: Sich den Ring anzueignen. Siegfried allerdings ist nicht von Machtgier besessen, er weiß nichts von der Macht des Rings. Er erweckte am Ende von „Siegfried“ Brünnhilde, die ehemalige Walküre, aus ihrem Schlaf auf dem Walkürenfelsen inmitten der Waberlohe.

Alberich zeugte unterdessen mit Grimhild, einer Frau aus dem Geschlecht der Gibichungen, einen Sohn, den er benutzen will, um wieder in den Besitz des Ringes zu gelangen. Dieser Sohn heißt Hagen. Er hat Kenntnis vom Lauf der Dinge, also vom Ring und seiner Macht, von Siegfried und dem, was diesem bestimmt ist. Hagen bildet den haßerfüllten Gegenpol zu Siegfried. Es lohnt, sich Wotans Worte über den ungeborenen Hagen aus der „Walküre“ zurückzurufen:

Des Hasses Frucht hegt eine Frau,
des Neides Kraft kreißt ihr im Schoß:
Das Wunder gelang dem Liebelosen;

Grimhild hat zwei weitere Kinder, nicht von Alberich, sondern von ihrem Ehemann (Gibich), namens Gunther und Gutrune. Grimhild und Gibich selbst spielen keine Rolle in der Handlung, sie sind hier nur erwähnt, um die Abstammungsverhältnisse klar zu machen.

Das Vorspiel

Die „Götterdämmerung“ besitzt ein ungewöhnliches Vorspiel, in dem Wagner schon vor Beginn des ersten Aufzugs zwei „Szenen“ zeigt, die von einem Orchesterzwischenspiel getrennt werden.

Mit einem Bild von phantastischer poetischer Eingebungskraft hebt die „Götterdämmerung“ an: Es treten die drei Nornen am Walkürenfelsen auf. Nornen sind in der germanischen Vorstellungswelt Schicksalsgöttinnen, hagere, bleiche Gestalten, sie sitzen an der Wurzel der Weltesche und spinnen das Schicksal der Welt. Bei Wagner sind sie Töchter der Erda, einer ur-weisen Göttin.
Die Handlung schließt direkt an „Siegfried“ an. Siegfried und Brünnhilde befinden sich noch in dem Steingemach, in dem Siegfried Brünnhilde erweckt hat.

Es ist Nacht, kurz vor dem Morgengrauen. Die Nornen knüpfen ihr Gespinst des Schicksals - in Form eines Seiles - an einer Tanne auf dem Walkürenfelsen an. Die erste Norn, die Vergangenheit erinnernd, beginnt zu weben und dabei zu erzählen, daß Wotan einst sein eines Auge hergab, um aus der Weltesche seinen Speer schneiden zu dürfen. An dieser Wunde ging die Esche langsam ein. Die zweite Norn nimmt nun das Seil, schlingt es um einen Felsen und ergänzt, wie Wotan schließlich die Weltesche vollends fällen ließ, weswegen sie selbst jetzt hier am Walkürenfelsen weben müssen. Die dritte Norn, in die Zukunft sehend, übernimmt das Seil und fährt fort zu erzählen, wie die Scheite der gefällten Weltesche, um Walhall herum gestapelt, lichterloh brennen. Das Seil macht erneut die Runde, die jeweils gerade sprechende Norn spannt es an einem anderen Gegenstand. Der Zuschauer erfährt vom Rheingold, das Alberich raubte, was die Fäden des Seiles verwirrt, und vom Ring, den er daraus schmiedete, was das Gespinst noch mehr durcheinander bringt. Beim Herumreichen des Seiles schneidet ein Stein in das Seil. Als schließlich die dritte Norn es wieder in Händen hält und zu spannen versucht, reißt der Faden des Schicksals vollständig. Dazu erklingt Siegfrieds Hornruf. Erschreckt sammeln sich die Nornen, die nun das Schicksal nicht mehr fortspinnen können, und verschwinden, indem sie hinab zu Erda tauchen.

Das Orchesterzwischenspiel - mehr als eine Überleitung - trägt die Bezeichnung „Morgendämmerung“. Es führt zwei neue Themen ein: Zum einen ein kraftvolles Helden-Thema, das den gereiften Siegfried charakterisiert und sich aus Siegfrieds Hornruf herleitet, in anderem Rhythmus und vom Gewicht her an das Walhall-Motiv erinnernd, zum anderen ein Brünnhilde-Motiv, das sie von ihrer neuen, menschlichen, nicht mehr walkürenhaften Seite zeigt.

Der Zuschauer sieht in der zweiten Szene des Vorspiels die Verliebten Siegfried und Brünnhilde aus dem Steingemach treten. Die Musik kehrt zur ekstatischen Stimmung der letzten „Siegfried“-Szene zurück. Siegfried will zu neuen Heldentaten aufbrechen und Brünnhilde versucht nicht, ihn davon abzuhalten. Sie beteuern sich gegenseitig ewige Treue und Siegfried schenkt Brünnhilde den Ring des Nibelungen als Zeichen seiner Liebe! Brünnhilde freut sich ohne Grenzen über den Ring: „Ihn geiz' ich als einziges Gut!“ und schenkt ihrerseits Siegfried ihr Pferd Grane. Siegfried bricht auf, während Brünnhilde auf dem Felsen zurückbleibt.

Das anschließende Orchesterzwischenspiel beschreibt, wie Siegfried den Walkürenfelsen verläßt und den Rhein hinauffährt. Es hat den Namen „Siegfrieds Rheinfahrt“ bekommen, doch es ist weit mehr als eine Schilderung einer verdeckten Handlung, es ist dank Wagners Leitmotivtechnik eine symphonische Dichtung. Die Musik schildert noch einmal das Werden, erzählt vom Rheingold und verdunkelt sich gegen Ende, als das Ring-Motiv aufklingt. In bedrückter Stimmung folgt das Wehe-Motiv und leitet über in einen Anklang des Todestrauer- Motivs, das jedoch nicht voll erklingt, sondern an der Stelle, an der in Zukunft der gewaltige Höhepunkt jäh heraufdonnern wird, in das Hagen-Motiv übergeht.

Der erste Aufzug

Damit beginnt der erste Aufzug. Die Szene hat sich gewandelt, der Zuschauer wirft den Blick auf die Halle der Gibichungen am Rhein. Dem Geschlecht der Gibichungen gehören die in der Halle anwesenden Gunther und Gutrune an, indirekt auch Hagen, der ebenfalls auftritt.
Das glanzvolle, doch sehr selbstgefällige Gibichungen-Thema erstrahlt. Gunther fragt Hagen, wie er den Ruhm seines Geschlechtes noch weiter mehren könne. Hagen macht ihn darauf aufmerksam, daß zu höchstem Ruhm Gunther eine Frau und Gutrune ein Mann fehle. Gunther erkundigt sich, welche Frau Hagen im Sinn habe, den Ruhm zu vergrößern. Hagen beginnt, von einer Frau zu erzählen, die auf einem von Feuer umloderten Felsen schlafe: Brünnhilde. Doch nur einem wäre es möglich, dieses Feuer zu durchschreiten, nämlich dem Wälsungen Siegfried, dem stärksten Helden. Hagen hat von vornherein nur Interesse am Verderben Siegfrieds.
Gunther will wissen, warum Hagen ihm gerade diese Frau vorschlägt, die zu gewinnen ihm unmöglich ist. Hagen hält das nicht für unmöglich: Er meint, Siegfried könne Brünnhilde für Gunther werben, wenn Siegfried im Gegenzug Gutrune zur Frau bekäme. Gutrune wendet dagegen ein, daß ein so großer Held wie Siegfried sicher nicht sie zur Frau wolle. Hagen hat auch das bedacht. Durch einen Vergessenstrank will er Siegfried alle Frauen vergessen machen, die dieser je gesehen hat, und damit bewirken, daß Siegfried sich in Gutrune verliebt. Auf diese Art hätte Gunther ihn in der Hand und könne ihn bitten, für ihn um Brünnhilde zu werben. Gunther und Gutrune sind begeistert von diesem Plan und stimmen zu.

Kurze Zeit später kommt Siegfried in einem Schiff auf dem Rhein in Sichtweite und wird von Hagen an Land gerufen. Gunther heißt ihn herzlich willkommen und Siegfried bietet ihm seine Freundschaft an, die dieser gerne annimmt. Die Rede kommt auf den Hort, den der Drache hütete, und auf die Frage, welche Gegenstände Siegfried ihm entnommen hat. Siegfried deutet zur Antwort auf den Tarnhelm, dessen Funktion ihm unbekannt sei, und wird von Hagen in dessen Geheimnisse eingeweiht: Der Helm hat die Fähigkeit, seinem Träger jede Gestalt zu geben, die er sich wünscht. Darüberhinaus kann er den, der den Helm aufsetzt, an jeden Ort der Welt transportieren, ebenfalls ganz nach Wunsch.

Siegfried erzählt auch vom Ring, und als Hagen fragt, wo er ihn aufbewahre, erfährt er von Siegfried, daß er ihn einer schönen Frau geschenkt habe. Hagen murmelt dabei den Namen Brünnhildes leise vor sich hin, woraus der Zuschauer ersieht, daß Hagen - im Gegensatz zu Gunther und Gutrune - weiß, daß Siegfried Brünnhilde schon zur Frau genommen hat.

Das Ränkespiel Hagens wird schnell vollzogen, Gutrune tritt mit einem Trinkhorn, gefüllt mit dem Vergessenstrank, zu Siegfried und bietet ihm dieses an. Siegfried ergreift das Horn als Willkommensgruß und trinkt. Tatsächlich vergißt Siegfried sofort Brünnhilde und wird ergriffen vom Anblick Gutrunes. Siegfried reagiert so, wie Hagen es vorausgesehen hat: Siegfried wünscht sich Gutrune zur Frau und er verabredet mit Gunther und Hagen - Gutrune hat den Saal bereits verlassen -, daß er Brünnhilde für Gunther werben werde, um sich durch diesen Dienst Gutrune zu gewinnen. Siegfried hat vor, mit Hilfe des Tarnhelms Gunthers Gestalt anzunehmen und die Waberlohe zu durchschreiten. Auf diese Vereinbarung trinken Siegfried und Gunther Blutsbrüderschaft, jedoch nicht mit Hagen. Hagen meint, sein Blut sei nicht edel genug für einen solchen Bund.

Siegfried - voller Tatendrang - bricht sogleich zum Walkürenfelsen auf, im Schiff mit Gunther zusammen.
Hagen bleibt alleine zur Wacht vor der Halle der Gibichungen zurück und sinniert darüber, wie er sie alle, die sich edler als er wähnen, überlistet hat. Mit Häme bemerkt er bei sich, daß Gunther Siegfrieds Braut bekommen werde - und er, Hagen, den - Ring! Siegfried, er ist im Dienst des Bösen.
Die Musik klagt schwer Verhängnis. Ein Motiv gewinnt immer größere Bedeutung: Das Haß-Motiv, eingeführt im „Rheingold“, an der Stelle, als Alberich zum Fluch ansetzte. Der Rhythmus dieses Motivs mit Namen „Vernichtungsrhythmus“ durchsetzt die Musik und hält die immer wieder kurz anklingenden Siegfried-Motive hart umklammert.

Die Szene blendet über zu lieblicheren Gefilden, zu Brünnhilde auf dem Walkürenfelsen. Der Zuschauer sieht sie zuerst in den Anblick des Ringes versunken, den sie schließlich euphorisch abküßt. Zu ihr tritt, aus den Wolken unter Donnerhall herabgeritten, die Walküre Waltraute. Brünnhilde freut sich über ihren Besuch und schildert überschwänglich das Glück mit Siegfried, das ihr seit ihrer Erweckung zuteil wurde. Doch Waltraute will davon nichts wissen. Sie ist verstört und gibt Brünnhilde Auskunft über die trostlosen Verhältnisse, die in Walhall herrschen. Sie berichtet, was der Zuschauer aus der Nornenszene schon weiß: Daß Wotan die Weltesche fällen ließ und die Scheite rund um Walhall aufhäufte. In trüben Farben beschreibt Waltraute das Schicksal der Götter: Seit Wotan mit zerbrochenem Speer zurückkam, sitzt er lethargisch in der großen Halle, umringt von Göttern und Helden und erwartet den Untergang.

So sitzt er, sagt kein Wort,
auf hehrem Sitze stumm und ernst,
des Speeres Splitter fest in der Hand.
...
Staunen und Bangen binden starr die Götter.
Seine Raben beide sandt' er auf Reise:
kehrten die einst mir guter Kunde zurück,
dann noch einmal - zum letztenmal -
lächelte ewig der Gott.

Nur einmal, so berichtet Waltraute, brach Wotan sein Schweigen. Er erzählte von Brünnhilde, daß sie den Ring den Rheintöchtern zurückgeben müsse, um Gott und Welt von der Last des Fluches zu erlösen. Das ist der Grund von Waltrautes Besuch, sie will Brünnhilde bitten, den Ring den Rheintöchtern zu überlassen.
Doch diese Welt ist nicht mehr die Brünnhildes, sie kann die Aufforderung nicht verstehen:

Den Rheintöchtern - ich - den Ring?
Siegfrieds Liebespfand?
Bist du von Sinnen?

Abermals, wie schon am Ende des „Siegfried“, setzt sie ihre Liebe zu Siegfried höher als das Schicksal der Götter. Sie verweigert sich Waltrautes Wunsch. Als Walküre kann Waltraute Brünnhildes Handlungsweise nicht verstehen, wehklagend reitet sie hinweg.

Der Klang des Orchesters erstrahlt in leuchtenden Farben. Auf der Bühne ist es Abend geworden und der Feuerschein der Waberlohe drängt sich immer mehr in den Vordergrund. Brünnhildes Aufmerksamkeit wird angezogen vom Feuer. Sie hört Siegfrieds Hornruf, eilt zum Brand, freudig die Ankunft des Helden erwartend.
Es teilt sich die Lohe und Siegfried - dank Tarnhelm in der Gestalt Gunthers - tritt heraus. Entsetzt schreit sie auf: „Verrat! Wer drang zu mir?“. Das Orchester antwortet ihr mit dem Gunther/Gibichungen-Motiv.
Siegfried stellt sich als „Gunther“ vor und fordert sie mit dem Recht, derjenige gewesen zu sein, der das Feuer durchschritten hat, zur Frau. Brünnhilde wehrt sich, streckt den Ring vor, zum Zeichen, daß sie schon einem anderen verlobt sei, doch gegen einen Helden wie Siegfried hat die ehemalige Walküre keine Chance: Siegfried kämpft mit ihr, entreißt ihr den Ring und steckt ihn sich an den Finger. Brünnhilde sieht ihre Unterlegenheit ein und ergibt sich in ihr Schicksal, Gunther folgen zu müssen. Beide gehen zum Schlafen in das Steingemach, Siegfried legt aber, um Gunther nicht zu betrügen, das Schwert Notung zwischen sich und Brünnhilde.

Für das Folgende ist extrem wichtig, sich klar zu machen, was die handelnden Personen jeweils wissen: Brünnhilde meint, von Gunther überwältigt worden zu sein, Siegfried hat total vergessen, daß er Brünnhilde jemals vorher gesehen hatte und Gunther weiß nicht, daß Brünnhilde bereits die Braut Siegfrieds gewesen ist, wohingegen Hagen der einzige ist, dem der wahre Zusammenhang vollständig klar ist.

Der zweite Aufzug

Die Nacht ist auch über die Halle der Gibichungen hereingebrochen, vor der schlafend Hagen sitzt. Der Zuschauer wird vom Vorspiel des dramatischen zweiten Aufzuges zu Hagen versetzt. Dieses Vorspiel ist, wie Hagens Wachtgesang im ersten Aufzug, durchseucht vom Vernichtungsrhythmus. Fahl und von Haß ausgezehrt schleppt sich die Musik dahin, unerträglich unerfüllt. Der Rhythmus drängt blind, drängt, doch führt zu nichts. Die Melodie reißt sich immer wieder vom Rhythmus los, doch speit sie nur das ins Gemüt schneidende Wehe-Motiv hervor. Eine jähe Dissonanz erklingt und ganz kurze Zeit legt sich ein zaubrischer Glanz über die Musik: Der Mond tritt plötzlich aus den Wolken hervor und beleuchtet Hagen, der schlafend vor der Halle sitzt.

Die jetzt folgende Szene bezeichnet Johannes Bertram als „eine künstlerisch-dramatische Vision allerersten Ranges“: Alberich erscheint kniend vor dem schlafenden Hagen und raunt in dessen Unterbewußtsein.

ALBERICH:
Schläfst du, Hagen, mein Sohn?
...
HAGEN:
Ich höre dich, schlimmer Albe:
Was hast du meinem Schlaf zu sagen?

Alberich sieht den Tag nahen, an dem Hagen Siegfried umbringen und den Ring erlangen wird. Er will sich seines Sohnes versichern.
Hat der Zuschauer nicht schon im Vorspiel erkannt, wie sehr Hagen vom Haß zerfressen ist, jetzt kann er es direkt aus Hagens Unterbewußtsein hören:

Gab mir die Mutter Mut,
nicht mag ich ihr doch danken,
daß deiner List sie erlag:
frühalt, fahl und bleich,
hass' ich die Frohen, freue mich nie!

Alberich gibt Hagen ein, daß er sich den Ring erkämpfen solle, um mit seinem Vater zusammen die Welt zu beherrschen. Auf keinen Fall dürften die Rheintöchter an den Ring kommen. Erste Schritte, den Ring in seine Gewalt zu bekommen, hat Hagen bereits von sich aus eingeleitet.
Alberich verlangt einen Schwur darauf, daß Hagen alles daransetze, den Ring zu erlangen: „Schwörst du mir's, Hagen, mein Held?“; Hagen, bis ins Elementarste seines Wesens egoistisch, antwortet im Schlaf: „Mir selbst schwör ich's;“. Unter leisen Rufen „Sei treu! Sei treu!“ verschwindet Alberich, als die Morgendämmerung einsetzt. Hagen wacht auf.

Siegfried ist plötzlich in seiner eigenen Gestalt vor der Halle erschienen. Er hat die Fähigkeit des Tarnhelms benutzt, sich an andere Orte zu versetzen, nachdem er Brünnhilde in Gunthers Gestalt durch das verlöschende Feuer geleitet und sich gegen den echten Gunther ausgetauscht hat. Brünnhilde und der wirkliche Gunther fahren nun mit dem Schiff rheinaufwärts.

Siegfried verlangt von Hagen, Gutrune zu sehen. Hagen ruft sie herbei. Siegfried schildert den beiden den Hergang seiner Werbung. Auf besonderes Interesse Gutrunes hin betont er, daß Notung ihn im Schlaf von Brünnhilde getrennt hat.
Inzwischen sieht Hagen das Schiff, in dem Gunther und Brünnhilde fahren, in der Ferne erscheinen. Gutrune bittet Hagen, die Untergebenen zur Doppelhochzeit zusammenzurufen.

Eine sehr archaische Szene schließt sich an, die erste Chorszene des „Rings“: „Hagens Mannenruf“. Unter vibrierendem Streicher-Tremolo ruft Hagen mit einem Stierhorn die Mannen, Krieger, die unter der Gibichungen Befehl stehen, herbei. Stierhörner ertönen von verschiedenen Seiten, von den Mannen zur Antwort geblasen.
Hagen schildert den herbeieilenden Kriegern, daß Gunther eine Frau mit Siegfrieds, des Wurmtöters, Hilfe heimführe. Er redet den Mannen aus, daß es einen Feind zu bekämpfen gelte und trägt ihnen auf, Opfertiere zu schlachten und danach die Hochzeit zu feiern. Während die Mannen immer heiterer werden, verbleibt Hagen in seiner ernsten Stimmung.

Als Gunther mit Brünnhilde im Schiff bei der Halle ankommt, steigert sich das Pathos der Musik - nach der vorangegangenen, eher unheimlichen Szene - ins Unermeßliche. Der Chor der Mannen: „Heil dir, Gunther! Heil dir und deiner Braut!“.
Doch schnell verfliegt diese Musik und kehrt nicht wieder. Gunther stellt Brünnhilde, die immer zu Boden blickt, den Anwesenden vor, begrüßt Siegfried und zeigt zwei Paare auf: Er selbst und Brünnhilde, Gutrune und - Siegfried. Bei der Nennung von Siegfrieds Namen schrickt Brünnhilde heftig auf. Sie starrt Siegfried an und kann es nicht fassen, ihn hier zu erblicken - an der Seite einer anderen Frau. Die versammelte Hochzeitsgesellschaft wird unruhig. Brünnhilde gerät ins Schwanken und Siegfried, der ihr am nächsten steht, stützt sie. Sie erblickt an Siegfrieds Hand den Ring, schrickt erneut auf:

Ha! - Der Ring -
an seiner Hand!
Er -- ? Siegfried?

Damit beginnt eine sehr komplizierte Verwirrung, die sich immer mehr aufschaukelt.
Brünnhilde erkennt am Ring den Betrug, da ihr der Ring letzte Nacht von Gunther entrissen worden war. Sie kann sich allerdings die Geschehnisse nicht voll erklären. Für Hagen läuft alles plangemäß, er richtet die Aufmerksamkeit der Umstehenden auf die nun folgenden Anschuldigungen Brünnhildes:

Jetzt merket klug,
was die Frau euch klagt!

Brünnhilde fragt Siegfried zornig, wie er den Ring von Gunther bekommen habe. Siegfried entgegnet der Wahrheit gemäß: „Den Ring empfing ich nicht von ihm.“. Nun wendet sich Brünnhilde Gunther zu und verlangt, daß dieser den Ring von Siegfried zurückfordere, da ja Gunther ihn ihr entrissen habe und er somit keinesfalls Siegfried gehöre. Gunther ist verwirrt, leugnet, Siegfried einen Ring gegeben zu haben und fragt, ob Brünnhilde sich sicher sei, daß es der selbe Ring sei. Auf diese Möglichkeit der Verwechslung geht Brünnhilde ein, indem sie - unabhängig von dem Ring, den Siegfried trägt - denjenigen Ring von Gunther sehen will, den er bei ihr im Kampf erbeutet hat. Das bringt Gunther weiter in Bedrängnis, denn er kann natürlich keinen solchen Ring vorweisen.

Für Brünnhilde ist klar, daß sie alle zusammen Betrüger sind, Siegfried eingeschlossen. Siegfried, von dem jeder eine Erklärung erwartet, erzählt, daß er den Ring von einem Drachen bekommen habe und nicht von einer Frau. Für ihn muß die Situation ebenfalls sehr verwirrend sein, da er sich nicht erklären kann, wie der Ring des Drachen an Brünnhilde gelangte, von der er ihn letzte Nacht geraubt hat.
Hagen treibt den Disput auf die Spitze. Als eine Art Katalysator, der Reaktionen in Gang bringt, stellt er Brünnhilde die Sachlage klar vor Augen:

Brünnhild', kühne Frau,
kennst du den Ring?
Ist's der, den du Gunther gabst,
so ist er sein,
und Siegfried gewann ihn durch Trug,
den der Treulose büßen sollt'!

Brünnhilde greift das Wort auf, ruft laut „Betrug! Betrug!“ und fordert Rache. Gunther versucht, sie zu beruhigen, doch Brünnhilde muß loswerden:

Wisset denn alle: nicht ihm Gunther,
dem Manne dort Siegfried bin ich vermählt.

Drehte sich bisher der Betrug um den Ring, so bringen diese Worte eine neue, schwerere Anschuldigung auf. Siegfried und Gunther müssen diese Worte natürlich so interpretieren, als habe Siegfried in der Nacht der Werbung Gunther betrogen. Siegfried schreitet entschieden gegen diese Behauptung ein und bezichtigt, für ihn folgerichtig, Brünnhilde der Lüge und verweist erneut darauf, daß Notung zwischen beiden lag, als er mit Brünnhilde auf dem Walkürenfelsen übernachtete. Brünnhilde erklärt, für sie ebenfalls folgerichtig, das genaue Gegenteil: „Er [Siegfried] zwang mir Lust und Liebe ab.“

Siegfried kann nun nicht mehr anders, um sich reinzuwaschen schwört er auf Hagens Speer (den dieser ihm bereitwillig zur Verfügung stellt) den Eid, daß er die Wahrheit gesagt habe. Brünnhilde reißt nach diesem Schwur Siegfrieds Hand vom Speer und schwört ihrerseits, daß Siegfried Meineid abgelegt hat.
Da diesen Eiden nichts mehr hinzuzufügen ist und jeder sich im Recht sieht, löst sich die Versammlung auf.

Zurück bleiben einzig Brünnhilde, Hagen und Gunther. Die Zeit ist reif, Siegfrieds Tod zu beschließen. Brünnhilde weiß nichts vom Vergessenstrank, daher deutet sie Siegfrieds Handlungen als Verrat. Gunther ist ebenfalls verunsichert, grübelt über die Frage, ob Siegfried die Blutbrüderschaft zwischen ihnen gebrochen habe. Im Innersten verletzt, fordert Brünnhilde, angestiftet von Hagen, Siegfrieds Tod. Hagen weiß, im offenen Kampf gegen Siegfried hat er keine Aussicht, zu bestehen, also bleibt ihnen nur noch Mord als Mittel. Brünnhildes und Hagens Beschluß steht fest, bleibt nur noch Gunther zu überzeugen. Dieser hat sich bisher etwas abseits gehalten, doch nun wendet sich Hagen an ihn. Gunther glaubt sich zwar von Siegfried betrogen, doch er fühlt sich an die Blutsbrüderschaft gebunden, die zwischen ihm und Siegfried besteht. Erst als ihm Hagen vom Ring erzählt und ihm ausmalt, welche Macht er bringen würde, entrisse man ihn Siegfried, willigt Gunther in den Mordplan ein.
Gunther hat noch ein Bedenken bezüglich der Art des Mordes, er will seine Schwester Gutrune, dessen Bräutigam Siegfried immerhin ist, so weit wie möglich schonen.
So beschließen sie, an morgigen Tage eine Jagd zu veranstalten, um den Mord als Jagdunfall zu tarnen. Die drei schwören einen Racheschwur, wobei sich der Text Brünnhildes und Gunthers, die den Meineid rächen wollen, von dem Hagens unterscheidet. Hagen trachtet einzig nach dem Ring:

Sterb' er dahin, der strahlende Held!
Mein ist der Hort, mir muß er gehören.
Drum sei der Reif ihm entrissen.

So endet der zweite Aufzug.

Der dritte Aufzug

Der Tag ist da, der Tag der Jagd, der Siegfrieds Tod bringt. Er ist da, der Untergang der Götter, vorbereitet in vier Weltentagen, unabänderlich und notwendig. Das ganze Drama findet heute sein schreckliches Ende. Diesen dritten Aufzug wird kaum jemand überleben: Nicht die Götter, nicht Wotan, nicht Siegfried, nicht Gunther, nicht Brünnhilde, nicht Hagen.

Doch dieses schwere Schicksal wird nur kurz vom Vorspiel gestreift. Jauchzend unbeschwert jubelt die Musik auf, Musik vom Urbeginn, heiter fließen die Wogen des Rheines durch die Musik - eine Musik, so klar und rein, wie der Zuhörer sie schon lange nicht mehr hören konnte, seit dem Vorspiel des „Rheingoldes“ nicht mehr.

Der Zuschauer sieht sich wieder an den Rhein versetzt, in ein wildes Wald- und Wiesental, wie es in der Regieanweisung heißt. Die Rheintöchter tollen im Wasser umher und besingen die Sonne. Nach einiger Zeit tritt Siegfried zu ihnen. Er hat sich auf der Jagd verirrt und ist noch beutelos. Die Rheintöchter fragen ihn, was er ihnen geben würde, wenn sie ihm zu Wild verhelfen würden. Siegfried weiß nichts von Wert, das er besäße, da weisen die Rheintöchter auf den Ring und verlangen ihn. Siegfried will nicht vom Ring lassen, um an seiner Stelle ein gewöhnliches Tier zur Beute zu bekommen, da er für den Ring einen Drachen töten mußte.
Die Rheintöchter bezichtigen ihn des Geizes und tauchen unter. Siegfried gibt nach und ruft sie wieder her, um ihnen den Ring zu geben. Doch die Wasserwesen zeigen sich beleidigt. Sie meinen, er solle den Ring ruhig behalten, er würde ihm sowieso nur Unheil einhandeln. Sie prophezeien Siegfried den Tod noch am heutigen Tage. Der einzige Ausweg, dem Fluch zu entrinnen, wäre es, den Ring dem Rhein wiederzugeben.
Siegfried jedoch läßt sich auf diese Weise nicht einschüchtern. Er ergreift eine Erdscholle und bedeutet, er würde auf sein Leben so viel geben wie auf diese Scholle, die er darauf weit von sich wirft.
Die Töchter des Rheines beginnen zu spotten: Das höchste Gut verderbe er sich - sie meinen Brünnhilde -, nur vom Ring, der ihm Tod bringt, lasse er nicht. Sie beschließen, sich mit ihrem Wunsch um die Rückgabe des Ringes an Brünnhilde in der Halle der Gibichungen zu wenden und schwimmen fröhlich im Reigen dem Hintergrund zu, bis sie schließlich verschwinden. Siegfried sieht ihnen lächelnd nach.

Richard Wagner erfand zu dieser Szene eine die Tragik wahrlich ins Äußerste steigernde Musik. Die Musik ist fröhlich, unbeschwert, jauchzend, dem Zuhörer wogen Themen entgegen, die man nicht anders als heiter nennen kann, und doch, - doch liegt in dieser Heiterkeit eine Trauer, die unbeschreiblich ist. Richard Wagner zeigt sich hier als Magier, der das Unvereinbare vereint, für jeden Zuhörer spürbar. Bedenkt man, daß Jesus über das Wasser gegangen ist, so muß man zu der Schlußfolgerung kommen, daß Jesus Komponist war!

Siegfried steht noch sinnend, als Hagen und die Mannen ihn finden. Sie schlagen ihr Lager bei Siegfried auf und dieser erzählt von der Prophezeiung der Rheintöchter. Gunther erschrickt, doch Hagen behält die Nerven. Geschickt lenkt er das Gespräch auf Siegfrieds frühere Heldentaten. Hagen und die Mannen bitten Siegfried, etwas aus seiner ruhmreichen Vergangenheit zu erzählen. Siegfried willigt gerne ein und berichtet, wie er aufwuchs, wie er Notung schmiedete, den Drachen besiegte und die Vogelsprache zu verstehen lernte. Siegfried schildert genau, was der Waldvogel zu ihm sprach: Daß er Ring und Tarnhelm aus dem Hort entnehmen solle und daß er Mime nicht trauen dürfe. An dieser Stelle der Erzählung unterbricht ihn Hagen. Hagen füllt ein Trinkhorn mit einem Erinnerungstrank, der die Wirkung des Vergessenstrankes aufhebt.
Arglos trinkt Siegfried davon und fährt mit seinem Bericht fort. Verzückt erzählt er von Brünnhilde, die er erweckt hat. Die Musik ruft die Erinnerung an die Ekstase der letzten Szene des „Siegfried“ herauf. Siegfried gesteht durch seine Schilderung den Meineid, den er unwissentlich geschworen hat. Bei der Nennung Brünnhildes Namens wird Gunther plötzlich das Ränkespiel Hagens bewußt: Brünnhilde war die Frau, die Siegfried durch den Trank vergessen hatte. Er erschrickt, doch das Schicksal ist unabwendbar. Aus einem nahen Gebüsch fliegen zwei Raben auf, Wotans Raben, um Siegfrieds Ermordung zu melden. Die Dämmerung bricht herein. Hagen weist auf die Raben, Siegfried dreht sich nach ihnen um und wird von Hagen hinterrücks mit dem Speer erstochen.
Gunthers Versuch, Hagen davon abzuhalten, kommt zu spät. Siegfried stürzt zu Boden. Entsetzt fragen die Mannen und Gunther: „Hagen, was tatest du?“. Hagen antwortet: „Meineid rächt' ich!“, woraufhin er sich zum Gehen wendet und alleine den Rückweg zur Halle antritt.

Die Musik ist mit Siegfried abgestürzt. Eben noch zu Siegfrieds Erzählung die Liebesverzückung schildernd, klingt nun das Todestrauermotiv in tiefen Blechbläsern und Bässen auf.
Nicht lange jedoch: Siegfried schlägt noch einmal glanzvoll die Augen auf und gedenkt im Sterben Brünnhildes. In letzter Schönheit kann der Zuhörer durch die Musik an Siegfrieds Liebe zu Brünnhilde teilnehmen. Der Held stirbt mit dem Namen seiner Geliebten auf den Lippen. Die Umstehenden werden von tiefer Trauer ergriffen, ebenso die Musik.
Düster huschen die Triolen des Todestrauermotivs durch das Orchester. Dumpfe Paukenschläge grummeln. Die bisher stockend erscheinenden Motive verdichten sich, beginnend mit einem jähen Doppelschlag von donnernden Blechbläsern und Pauken. Die Musik nimmt den toten Helden bei der Hand und begleitet ihn wie in finaler Remineszenz durch sein ganzes Leben. Die Wälsungen-Motivik der „Walküre“ klingt düster herauf, Siegfried wird noch einmal gezeugt, was ein zarter Holzbläserton inmitten dieses Tobens der Elemente andeutet.
Im Ausdruck erhabensten Pathos' steigt das Schwert-Motiv herauf. Die Verbindung aus Schwert und Siegfried schuf erst den Helden: Die Trauerklänge wandeln sich zu einem Motiv höchsten Glückes - Wagner gelingt es, auch diesen Gegensatz zu überwinden - und erfahren in dieser Form ihre größte Steigerung. Das Heldenmotiv markiert die Geburt des Helden Siegfried, der Hornruf in der gereiften Form erschallt.
Die Musik erinnert ebenso an die Erweckung Brünnhildes, immer wieder unterbrechend tönt das schwere Klagen des Todestrauermotivs.

Die Mannen und Gunther haben während dieser Musik den Leichnam Siegfrieds auf einen Schild gehoben und in weihevollem Zug von der Bühne getragen. Nacht hat sich über die Bühne gelegt und aus dem Rhein quellen dichte Nebelschwaden, die allmählich den Blick auf die Szene verhüllen.

Als sich die Nebel wieder herabsenken, taucht aus ihnen die Halle der Gibichungen auf. Gutrune verläßt ihr Schlafzimmer, da sie von bösen Vorahnungen geplagt wird. Sie hat gesehen, wie eine Frau zum Rhein ging. Brünnhildes Zimmer ist verlassen, wie Gutrune feststellt. Es war also Brünnhilde, die sie am Fluß gesehen hat.
Hagens Stimme unterbricht ihr Nachdenken. Er erreicht gerade die Halle und verkündet die Heimkehr von der Jagd. Als der Trauerzug mit Siegfrieds Leiche ankommt, erzählt Hagen seine Geschichte von dem Eber, der Siegfried angefallen und getötet habe. Gutrune ist außer sich vor Schmerz und beugt sich über Siegfrieds Leiche.
Als Gunther sich ihr nähert, um sie zu trösten, stößt sie ihn weg und klagt ihn des Mordes an Siegfried an. Keine Sekunde glaubt sie an einen Jagdunfall. Gunther verteidigt sich, er weist auf Hagen und meint, ihn solle sie anklagen. Hagen tritt näher und verkündet stolz, er habe Siegfried getötet und erklärt sein Anrecht auf Beute. Er fordert den Ring. Gunther bestreitet jedoch Hagens Recht am Ring, er gehöre jetzt Gutrune als Siegfrieds Erbin. Über diese Frage kommt es zum Kampf zwischen Gunther und Hagen. Dabei tötet Hagen Gunther.
Nun schreitet Hagen zu Siegfrieds Leiche, um ihr den Ring zu entreißen. Doch als er versuchen will, ihn von Siegfrieds Hand zu lösen, hebt sich die Hand drohend empor. Selbst der hartgesottene Hagen schrickt ob dieses Zeichens zurück.

In diesem Augenblick tritt Brünnhilde auf. Sie ist am Rhein gewesen und hat die ganze Intrige Hagens, speziell den Vergessenstrank betreffend, von den Rheintöchtern erfahren. Sie klagt die Versammelten an, nicht einmal würdig um Siegfried zu trauern. Als Gutrune ihr vorwirft, für das ganze Unglück verantwortlich zu sein, erklärt sie ihr, schon Siegfrieds Frau gewesen zu sein, bevor dieser Gutrune überhaupt kannte. Jetzt wird auch Gutrune klar, was sie mit dem Vergessenstrank angerichtet hat, daß Brünnhilde die Frau war, die Siegfried vergaß. Scheu wendet sie sich von Siegfrieds Leiche ab und wendet sich dem Leichnam Gunthers zu.

Brünnhilde befiehlt den Mannen, einen Scheiterhaufen zu errichten, um Siegfrieds sterbliche Überreste zu verbrennen. Sie verlangt Siegfrieds Pferd Grane, weil sie Siegfrieds Los teilen will, auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Auf dem Pferd will sie hineinreiten.
Ihrem Befehl wird Folge geleistet. Brünnhilde wendet sich dem toten Siegfried zu. Sie rühmt seine Treue, die ihresgleichen sucht, und beweint seine Untreue, die ebenfalls beispiellos ist. Sie blickt nach oben und klagt bitter die Götter an:

O ihr, der Eide ewige Hüter!
Lenkt euren Blick auf mein blühendes Leid:
erschaut eure ewige Schuld!
Meine Klage hör', du hehrster Gott!
Durch seine tapferste Tat,
dir so tauglich erwünscht,
weihtest du den, der sie gewirkt,
dem Fluche, dem du verfielest:
mich mußte der Reinste verraten,
daß wissend würde ein Weib!
...
Ruhe, ruhe, du Gott!

Sie ergreift den Ring und ruft die Rheintöchter auf, sich den verfluchten Ring aus ihrer Asche zu holen, um ihn vollständig aufzulösen und so vom Fluch zu reinigen.
Brünnhilde schickt die beiden Raben, die auf einem Felsen am Ufer warten, zurück zu Wotan und weist sie an, vorher am Walkürenfelsen vorbeizufliegen und das dort lodernde Feuer, Loge, nach Walhall zu senden. Die Raben fliegen fort, um den Befehl auszuführen. Das Götterdämmerungsmotiv legt sich tragisch über die Musik. Ritt- und Walkürenruf-Motiv künden zusammen mit der Loge-Motivik Brünnhildes Ritt in das Feuer an. In den hohen Streichern erklingt leise, noch nicht voll entfaltet und doch bezaubernd, das Liebes-/Erlösungsmotiv, die Blechbläser intonieren das Heldenmotiv.
Brünnhilde setzt den Scheiterhaufen, worauf Siegfrieds Leiche ruht, in hellen Brand, besteigt das treue Pferd Grane, grüßt es, grüßt auch Siegfried und reitet in den Scheiterhaufen. Das Feuer lodert hoch auf, umhüllt sie und ergreift die Halle der Gibichungen. Männer und Frauen fliehen in den Vordergrund. Die Halle stürzt ein. Das Feuer erfüllt die ganze Bühne. Die Musik rast, kocht, brodelt, verkündet Vernichtung.
Da tritt der Rhein über das Ufer, überflutet zischend das Land. Die Rheintöchter kommen angeschwommen und ergreifen den Ring. Hagen erschrickt, will sich gierig den Ring sichern und stürzt sich wie von Sinnen in das Wasser. Zwei der Rheintöchter tauchen ihn unter, er soll nicht wieder auftauchen. Die dritte im Reigen hält den Ring im Triumph in die Höhe. Die Holzbläser beschwören die naiven Rheintöchter-Melodien aus dem „Rheingold“, als die Welt noch unschuldig war.

Am Himmel zeigt sich ein Feuerschein, der immer heller wird: Es ist Walhall, das in Flammen steht. Der Zuschauer sieht den Saal Walhalls, sieht die Götter und Helden, wie von Waltraute geschildert, in Versammlung bang sitzen. Die Götter werden ganz vom Feuer eingehüllt. Der Vorhang fällt und macht diese alte Welt von Habgier, Verrat und Mord vergehen. Die Musik hat das letzte Wort.
Schon in der langen Ansprache Brünnhildes hat sich zart ein Motiv angedeutet von zauberhafter Schönheit - das Liebes-/Erlösungsmotiv, das bisher nur ein einziges Mal in der „Walküre“ erklang. Dieses Thema hat einen die Motivik des ganzen „Rings“ sprengenden Charakter. Es deutet hinaus aus der gewohnten Klangwelt, erscheint wie etwas nie Gehörtes.
Zwischen Batterien massiver Blechbläser, die schwer das Walhall-Motiv übersteigern und das Heldenmotiv zu seiner größten glanzvollen Entfaltung führen, steigt dieses Motiv jetzt himmlisch zart herauf, verklärend, wie von der Entstehung einer neuen Welt der Liebe zeugend. Der Geist des Zuhörers wird vollständig ergriffen von dieser Musik.

Es ist eine Musik, wie sie nur Richard Wagner zu schreiben fähig war.

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Dirk Meyer
http://www.physcip.uni-stuttgart.de/phy11733/wagner/a_goett.html
1999-09-06